MEINE GESCHICHTE ZUR RHETORIK (TEIL 2)

Vertrauen und Bewunderung paarten sich in dem Bild, das ich von ihm gewann. Er sagte, als wir uns verabschiedeten, dass er sich in einiger Zeit bei mir melden würde. In den folgenden Monaten des Wartens auf die nächste Begegnung mit Rademacher, wich die Hoffnung, die Rademacher in mir weckte, der Sehnsucht, der Hoffnungslosigkeit. Als ich schon nicht mehr daran glaubte, es war Anfang 1981, rief mich Rademacher an. Ca. drei Monate nach unserer ersten Begegnung hatte er eine mehrwöchige Seminartournee durch Süddeutschland, Österreich und durch die Schweiz. Ich erinnere mich an Bosch in Bayern, BASF-Schweiz und Ideal-Standard in Österreich. Er erholte sich einige Tage in Bad Bergzabern und sagte ich könnte ihn besuchen kommen, um zu reden und Möglichkeiten zu finden, wie er mir helfen könne.

Wieder erzählte ich ihm wie unglücklich ich mit meinem Beruf und meiner Situation sei, dass ich doch so gerne Psychologie studiert hätte oder Schauspieler geworden wäre. Ob ich denn Verkaufserfahrung hätte, fragte er mich. Die einzigen Erfahrungen im Verkauf hatte ich durch die Käufe und Verkäufe der Antiquitäten, zuletzt sogar auf der Antiquitätenmesse in München, da es ja ganz gut lief. Na ja, probieren wir es, schreibe Bewerbungen. Ich schrieb mehrere Bewerbungen, die ich an die Adressen, die er mir aus seinem Kundenstamm gab, doch es hagelten Absagen, eine nach der Anderen. Da war sie wieder die Hoffnungslosigkeit, die Verzweiflung. Wem von uns ist es noch nicht so gegangen, dass er oder sie sagte:

„Schlimmer kann es nicht mehr kommen, schlechter kann es nicht mehr werden!“

Es kann sehr wohl immer noch schlimmer kommen oder schlechter werden als es schon ist.

Doch gib die Hoffnung nicht auf, denn es kann „nur“ noch besser werden!

Und immer wenn du glaubst es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her.

Wie wahr Volksweisheiten doch sein können.

Nachdem ich mein erstes Seminar bei Rademacher gemacht hatte, nahm ich sein Angebot, mehrere seiner Seminare als Gast besuchen zu können, dankbar an.

Als Gegenleistung half ich bei den Seminarvorbereitungen, der Teilnehmerbetreuung, nahm die Teilnehmer während der Seminare auf Video auf und chauffierte Rademacher.


Mein erstes Seminar bei Rademacher ist allerdings wieder eine eigene kleine Geschichte, denn dieses erste Seminar wollte ich schon nach dem ersten Vormittag abbrechen. Es war im Mai 1981, ca. ein ½ Jahr nachdem persönlichen Kennenlernen mit Rademacher, mit dem Zug fuhr ich von Rosenheim nach Bornheim, zwischen Köln und Bonn. Während unserer ersten Begegnung erzählte mir Rademacher von dem schönen Landhaus im Park, indem er wohnte und indem er auch viele seiner Seminare durchführte. Es war noch schöner.

Als ich aus dem Taxi ausstieg und dieses traumhafte Landhaus in dem wunderschönen Park, gegenüber vom Schloss sah, dachte ich: „Hier möchte ich gerne leben und arbeiten, das habe ich mir immer gewünscht“.

Der Titel des Seminars, unter dem ich mir noch gar nicht so viel vorstellen konnte, lautete: Rhetorik und Kommunikation Stufe I – Befreiungs- und Ausdrucksseminar – Abbau von Hemmungen und Ängsten.

Welche Hemmungen, welche Ängste sind wohl damit gemeint?

Ich war einer von 16 Teilnehmern und saß neben einem Vorstand. In dem großen schönen Seminarraum waren Stühle in 2er Gruppen mit jeweils einem Tischchen, links und rechts im Raum hintereinander, zusammengestellt. Mein rechter Nachbar, einer der Vorstände, ich glaube er war von Bertelsmann, trug einen sehr feinen Anzug mit einer schicken Krawatte. Ich dachte noch, so ein feiner Pinkel. Ich selbst war der einzige unter den männlichen 11 Teilnehmern mit schulterlangen Haaren, und Freizeitkleidung. Bekleidet war ich mit einer roten Jeans, weißen Turnschuhen und einem Pluderhemd, die waren in den 80igern angesagt, nur nicht in diesem Raum. Um 9.00 Uhr nahmen die Teilnehmer ihre Plätze ein, denn der offizielle Seminarbeginn war um 9.03 Uhr. Rademacher kam herein, stellte sich vor die Gruppe, begrüßte uns, dann kam erst einmal Musik. Ganz laute klassische Klänge durchdrangen den Raum, Udo Jürgens sang ein Lied über das Wort. Eine sehr spannende Stunde folgte, durch Rademacher geleitet. Beeindruckt von seiner Begeisterungsfähigkeit, hing ich an seinen Lippen. Das will ich auch machen, waren meine Gedanken. Nach 1 ½ Stunden gab es eine Pause. In der Pause sollten wir uns überlegen, wie wir uns selbst vorstellen. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf, der hohl zu sein schien. Ich machte mir einige Stichworte auf einen Spickzettel. Sehr schnell war die ½stündige Pause zu Ende. Die Vorstellungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die vor mir dran waren, schienen mir damals alle perfekt zu sein. Mein Herz schlug bis zum Hals, je näher meine eigene Vorstellung rückte. Nun wusste ich was mit Hemmungen und Ängsten gemeint war. Als Bayer sprach ich natürlich mit meinem bayrischen Dialekt und der war so stark, dass mich Teilnehmer, während der Pausen schon immer wieder fragten: „Wie bitte, was haben Sie gesagt?“ Nun war ich dran. Mit hochrotem Kopf ging ich nach vorne und wusste nichts mehr, der Spickzettel war so nutzlos wie ein weißes Blatt Papier. Es hat sich ungefähr so angehört: Ja, griaß God, i bins, da Andal, da Andreas Posch aus Rousnhoam, ois jüngsta von fünf Kinda. I bin do, weils ma a Freindin gsogt hod, das des guad für mi wa und wei da Herr Rademacher a gsogt hod, das des guad für mi wa. Glernd hob i Maschinenschlosser und dann hob ich no an Facharbeita dro kengt. Mid am Freind hob i mi dann zammado und jetzt kafma und verkafan ma Antiquitätn. Es laft ganz guad. Mir wan soga scho auf da Antiquitätenmesse in München und do hod ma dann a a Freindin gsogt, das i a so a Seminar midmacha soi, wei ma des heifa dad. Jetz bin i do und mehra woaß i net. A ja, fotografian dua i a no ganz gern.



„Wir gehen oft mit unserem Leben um,
als hätten wir ein Zweites in der Tasche.“
Andreas Posch
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